18 Jahre Schiedsrichter – Felix Streich im Interview

Seit der Saison 2015/2016 ist Felix Streich für den TSV Asperg als Schiedsrichter aktiv. Lange Jahre hat er mit seinem Partner Tobias Gabriel auf Verbandsebene gepfiffen und viele tolle Erfahrungen gesammelt. Selbst während einem Auslandsaufenthalt hat er die Abteilung weiter unterstützt und ist nicht erst durch seine Aufgabe als Ressortleiter „technische Leitung“ als Schiedsrichterwart im Einsatz. Wir haben mit ihm über die Schiedsrichterei und die aktuellen Probleme gesprochen.

Hallo Felix, es herrscht ein Schiedsrichter-Notstand im HVW. Worin siehst du die Gründe dafür?
Schiedsrichter-Notstand bedeutet, dass es nicht mehr genügend Schiedsrichter gibt, um den Spielbetrieb jedes Wochenende abzudecken. Das Problem hat jeder Bezirk und auch der HVW. Als Beispiel: Bei uns im Bezirk stehen für alle Spiele, die im Team gepfiffen werden sollen, maximal 14 Teams zur Verfügung. Das heißt, diese Teams dürften nie krank oder verletzt sein und müsste jedes Wochenende zur Verfügung stehen. Das ist natürlich unrealistisch und daher müssen Spiele von Einzelschiedsrichtern gepfiffen oder ganz abgesagt werden. Einfach weil alle, die pfeifen könnten, schon woanders pfeifen.
Die Gründe für diesen Notstand sind vielfältig. Viele ältere Schiedsrichter hören langsam auf und die Vereine haben es verpasst, rechtzeitig für ausreichend Nachwuchs zu sorgen. Auch weil das Ehrenamt Schiedsrichter immer unattraktiver geworden ist. Der zeitliche Aufwand, gerade wenn man nebenbei noch selbst aktiv spielt, ist nicht zu unterschätzen.
Aber vor allem die Stimmung in den Hallen hat sich zusehends verschlimmert. Die Hemmschwelle, einen Schiedsrichter von der Tribüne oder dem Spielfeldrand zu beleidigen und zu beschimpfen ist gesunken und die Wortwahl ist so schmutzig, wie nie zuvor. Und das schreckt natürlich gerade junge Menschen davon ab, diese Aufgabe zu übernehmen.

Eine Maßnahme aus den zurückgehenden Zahlen ist die mittlerweile mehrstufige Schiedsrichter-Ausbildung im HVW. Kannst du diese einzelnen Stufen etwas genauer erklären?
Man versucht, Menschen, die Interesse am Pfeifen haben, mit kleineren „Aufgaben“ an das Amt heranzuführen. Die erste Stufe ist der Kinderhandball-Spielleiter (KiHaSpl) für Menschen am 14 Jahren. Die theoretische Ausbildung ist an einem Nachmittag abgeschlossen, die praktische Prüfung ist die Leitung eines E- oder D-Jugendspiels - und fertig. Mit dieser Ausbildung darf man dann E- und D-Jugend pfeifen und wird bei uns bezahlt, wie ein normaler Schiedsrichter.
Die nächste Stufe ab 15 Jahren ist der Jugendhandball-Spielleiter (JuHaSpl) und berechtigt Spiele der C-Jugend zu leiten. Dafür sind ein weiterer halber Theorietag, eine Regelprüfung und ein C-Jugendspiel notwendig.
Mit 16 Jahren kann man sich dann zum normalen Schiedsrichter ausbilden lassen. Die Erfahrung, die man bisher schon hat, wird einem dann auf die Ausbildung angerechnet und verkürzt sich auf ein Wochenende mit abschließendem Regeltest. Zu Beginn wird man dann bei Jugendspielen und Spielen der Kreisliga eingeteilt. Wer sich dann anstrengt und motiviert ist, der kann es dann bis in die Bundesliga schaffen.

Was muss ein Schiedsrichter an Zeit „investieren“ und wie wird er dafür vergütet?
Als Schiedsrichter soll man circa 16 Spiele pro Saison leiten. Man wird aber nicht einfach eingeteilt, sondern kann in einem gewissen Rahmen Termine „blocken“, an denen man kein Spiel übernehmen kann. So kommt man im Schnitt auf zwei Spiele pro Monat Jeder einzelne Schiedsrichtereinsatz ist im Prinzip so lang, wie wenn man als Spieler daran teilnimmt. Man kommt ca. 30 min vor Spielbeginn in die Halle und geht dann, nachdem man geduscht und sich umgezogen hat, wieder.
Die Vergütung ist gar nicht schlecht. Neben einem Kilometergeld bekommt man eine Vergütung je nach Liga, die man pfeift. Die geringste Entschädigung sind 22€ für ein Spiel der D-Jugend. Aber allein für das Geld sollte man nicht das Pfeifen anfangen.

Du bist seit vielen Jahren Schiedsrichter. Wie bist du dazu gekommen und was macht für dich das „Pfeifen“ aus?
Ich hatte Interesse daran, am Handballspiel auf eine andere Art teilzunehmen. Und ich hatte auch immer das Gefühl, dass mir das liegen könnte. Daraufhin habe ich im Training immer mal wieder ein Spiel gepfiffen und dann, als ich 15 Jahre alt war, die Prüfung mit einem Freund zusammen gemacht.
Pfeifen macht mir unglaublich viel Spaß und ist aufregend. Genauso wie als Spieler willst du eine gute Leistung abrufen und das Spiel erfolgreich „beeinflussen“. Für uns Schiedsrichter heißt das nicht immer, alle glücklich zu machen, sondern für ein faires Handballspiel zu sorgen. Und in der Regel akzeptieren das dann auch alle Beteiligten.
Ich habe in den 18 Jahren, die ich pfeife, viele tolle Spiele leiten dürfen, bei denen Stimmung in der Halle war, die sich dann auch auf dich überträgt. Aus solchen Spielen gehst du voller Adrenalin raus und freust dich, dass du das mitmachen durftest. Und dann sind da die Highlights, mal ein Spiel in der EWS-Arena in Göppingen oder der EgeTrans-Arena in Bietigheim pfeifen zu dürfen. Das sind Erinnerungen, an die ich heute noch zurückdenke.